fempowermint
Am Nachmittag des 21. März fand in der Aula am FH OÖ Campus Wels bereits zum zweiten Mal der Career Talk for Internationals statt. Mit Muna Abdulrahman (Vereinigte arabische Emirate), Tea Čičak (Kroatien), Dhruv Somani (Indien) und Germanno Longhi Beck (Brasilien) kehrten vier Absolvent*innen der Fakultät für Technik und Angewandte Naturwissenschaften an ihre Alma Mater zurück, um die Erfahrungen zu teilen, die sie am österreichischen Arbeitsmarkt gesammelt haben.
Zu Gast bei der Podiumsdiskussion, welche von Assistenzprofessorin Vanessa Prüller moderiert wurde, war auch Alexandra Schwarz-Greiner von der STIWA Group, welche ihre Expertise als HR-Managerin im industriellen Umfeld einbrachte. Mehr als 70 Studierende lauschten gespannt den Ausführungen der Diskutant*innen, stellten selbst viele Fragen und nutzten die Chance, sich im Anschluss an die Diskussion beim Buffet mit ihnen zu vernetzen.
Die Veranstaltung leistete einen wertvollen Beitrag dazu, den Anwesenden ein besseres Verständnis von den Herausforderungen zu vermitteln, die sie erwarten, wenn sie sich für eine Karriere in Österreich entscheiden. Und wie ein Blick zurück zeigt, sind diese vielfältig.
Sprachkenntnisse als Schlüssel zur sozialen Integration
Einig waren sich alle Diskutant*innen darüber, dass es ohne Deutschkenntnisse sehr schwer bis unmöglich ist, im Berufsalltag zu bestehen und Anschluss in der Gesellschaft zu finden. Der Erwerb und die Entwicklung ebendieser kann auf verschiedene Weise erfolgen:
Dhruv Somani (Trainee bei BMW) schilderte zum Beispiel, dass er mittlerweile besser Dialekt als Hochdeutsch sprechen könne. Germanno Longhi Beck (Developer bei Fronius) berichtete, dass er bei Spaziergängen mit seinem Hund immer wieder mit Einheimischen ins Gespräch komme, was ansonsten in Österreich nicht so leicht sei. Und Tea Čičak (Trainee bei BMW) machte den Studierenden Mut, indem sie diese daran erinnerte, dass sie alle ein technisch-naturwissenschaftliches Studium absolvieren – und das sei schwerer, als Deutsch zu lernen.
Um Anschluss in Österreich zu finden, brauche es den Diskutant*innen zufolge jedoch nicht nur ein passables Deutsch, sondern auch viel Eigeninitiative und Geduld. Ihrer Erfahrung nach müsse man zunächst Wege finden, um das Eis zu brechen: So könne man Kolleg*innen etwa Interesse daran signalisieren, sie zum Mittagessen zu begleiten oder einen Vorwand suchen, um sie um Hilfe zu bitten. Erfolgversprechend seien auch die Einladung zum Feierabendbier oder das Angebot, die Blumen der Nachbarn zu gießen, wenn diese auf Urlaub fahren. Wichtig sei es, den Einheimischen genug Zeit und Raum zu lassen, um Vertrauen aufzubauen.
Wenn Mentalitätsunterschiede zum Kulturschock führen
Worauf man sich beim Eintritt in Österreichs Arbeitsmarkt ebenfalls vorbereiten müsse, seien irritierende Erlebnisse. Muna Abdulrahman (Innovationsmanagerin bei BRP-Rotax) berichtete davon, wie sie bei einem Bewerbungsgespräch nach ihrer familiären Situation gefragt wurde – etwas, das in ihrem Kulturkreis ein Tabu darstellt. Weiters teilte sie ihre Beobachtung, wonach Österreicher*innen eher dazu tendierten, ihre Probleme selbst zu lösen als andere um Hilfe zu bitten. Tea Čičak zeigte sich erstaunt über den höflichen Umgang miteinander bei der Arbeit, welcher sich etwa darin äußere, dass sich Vorgesetzte generell sehr tolerant gegenüber Mitarbeiter*innen verhielten und Kritik eher zurückhaltend und durch die Blume geübt werde.
Thematisiert wurde in diesem Kontext auch, wie wichtig in Österreich die Einhaltung von Routinen ist: Ein Teilnehmer berichtete zum Beispiel, wie er sich einmal nicht die Zeit nahm, pünktlich mit den Kolleg*innen zum Mittagessen zu gehen. Dies sei für sie wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Man müsse sich jedoch nicht nur an fixe Pausenzeiten gewöhnen, sondern auch an einen anderen Tagesrhythmus: Es sei die Regel, dass man früh zu arbeiten beginne.
Und was tut Österreich, um Ausländer*innen zu halten?
Einmal mehr kam bei der Podiumsdiskussion heraus, dass man es internationalen Fachkräften nicht leicht macht, hierzulande Fuß zu fassen: So berichteten zwei Absolvent*innen, dass sie viele Bewerbungen verschickt, aber nur selten eine Antwort darauf bekommen hatten. Viele Unternehmen würden zudem die bürokratischen Hürden scheuen, die mit der Beschäftigung von Personen aus Drittländern einhergingen. Es sei daher unerlässlich, die öffentlichen Stellen zu finden, die rechtsverbindliche Auskünfte geben können und sich an diese zu wenden.
Um die Chancen auf ein langfristiges berufliches Engagement in Österreich zu erhöhen, hätten internationale Studierende am Campus Wels jedoch einige Möglichkeiten: Explizit empfohlen wurde von den Absolvent*innen, sich an die Professor*innen zu wenden, welche in der Regel über ein gutes Firmennetzwerk verfügen. Nahegelegt wurde ihnen auch der Besuch der Karrieremessen, welche jeden Herbst an den Fakultäten der FH Oberösterreich stattfinden, um erste Kontakte zu potenziellen Arbeitgeber*innen zu knüpfen.
Dass es sehr wohl Unternehmen gibt, die sich bemühen, einladende Rahmenbedingungen für internationale Arbeitnehmer*innen zu schaffen, erfuhren die Zuhörer*innen von HR-Expertin Alexandra Schwarz-Greiner. Um Englisch als Alltagssprache zu etablieren, gilt bei der STIWA in Hagenberg die Regel, Tickets an den IT-Support auf Englisch zu verfassen oder Meetings – begleitet durch einen Native Speaker-Coach – auf Englisch abzuhalten. Der Onboarding-Prozess findet auf Wunsch hin ebenfalls auf Englisch statt.
Wissen um kulturelle Unterschiede allein reicht nicht aus
Zwar standen beim Career Talk die interkulturellen Unterschiede im Vordergrund. Dennoch gaben die Diskutant*innen den Studierenden auch allgemeine Bewerbungstipps mit auf den Weg. So rieten sie ihnen beispielsweise dazu, sich selbst dann für eine Stelle zu bewerben, wenn sie nur einen kleinen Teil der Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus lieferten sie ihnen ein paar Anregungen, wie sie ihren Lebenslauf gestalten sollten, um die Zielgruppe zu überzeugen und wie sie im Anschreiben vermitteln, warum sie ein Unternehmen interessiert.
Entscheidend sei zudem, im persönlichen Gespräch ehrlich und authentisch aufzutreten. Die private Situation und Schwierigkeiten wie z.B. Probleme mit dem Visum müssten immer offen angesprochen werden, um Hürden rasch aus dem Weg räumen zu können. Mit dem nötigen Willen auf beiden Seiten und etwas Glück klappt es mit dem Einstieg in den Jobmarkt, welcher – wie der Career Talk gezeigt hat – zu einer beruflich und privat erfüllenden Zukunft in Österreich führen kann.