Foto von Katja Hammer

Ingrid Fellinger

Geschäftsführende Gesellschafterin der iVON GMBH

Ein Beruf, der verschiedene Rollen in einer Person vereint, dass ist es, was Ingrid an ihrem Job so spannend findet und liebt. In ihrer Arbeit braucht sie sowohl wirtschaftliches als auch technisches Know-how, um Fragen von allen Seiten beantworten zu können.

Nach der HLW verschlug es Ingrid in ein Unternehmen, das auf Maschinenbau spezialisiert war. Ihr war es egal, dass es technisch war. Was sie faszinierte, war der internationale Austausch. Heute leitet sie selbst ein technisches Unternehmen, das mittlerweile in mehreren Ländern vertreten ist.

Wie sie sich ihr Unternehmen aufgebaut hat, wer sie dabei unterstützt hat, welche Hürden es gab und welche Tipps sie für die Selbständigkeit hat, hört ihr in unserem Gespräch mit ihr. 

 

Beruf

Geschäftsführende Gesellschafterin der iVON GMBH

Hobbies

Pferde, Lesen, Nähen

MINT im Fokus

Was bedeutet MINT für dich?

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik per Definition. Ich sehe ein großes Feld an Aufgaben und Möglichkeiten das persönliche Potential auszuschöpfen, vor allem auch für Frauen.

Welche Bedenken hast/hattest du dabei dich für eine MINT-Richtung zu entscheiden? 

Ich hatte Angst im Maschinenbau als typsche Männerdomäne nicht ernst genommen zu werden. Das obwohl ich keine Technikerin bin und auch jetzt nicht als Technikerin arbeite. Dazu kam das was mich eigentlich interessiert hat: Das internationale Geschäft, wo auch kulturelle Faktoren eine große Rolle spielen.

Mit welchen Herausforderungen bist/warst du konfrontiert?

Ich war 19 als ich nach der Matura in einem Maschinenbaubetrieb zu arbeiten begonnen habe. Ein etabliertes und international tätiges Unternehmen mit einem hohen Anteil an männlichen Mitarbeitern.

Angezogen hat mich das internationale Geschäft – dass dies im Technikbereich war, habe ich eigentlich nicht als Grund für meine Bewerbung dort gesehen. Ich habe aber gut Fuß fassen können: Am Anfang war ich Teil des Vertriebsteams und in dieser Funktion auch im Ausland auf Messen und im lokalen Büro des Unternehmens in Asien tätig.

Dann habe ich in die Finanz- und Exportabteilung gewechselt. Techniker war und werde ich nie sein, aber das macht nichts. Es braucht auch die anderen Funktionen in einem Unternehmen.

Probleme gab es anfangs mit der Tatsache, dass ich eben komplett neu war in dem, was ich tat und eine gewisse Ausgrenzung bzw. das glass ceiling habe ich auch später noch erfahren. Ich bin aber der Meinung, dass es diese Dinge in ziemlich jeder Branche gibt. Das hat nichts mit dem MINT-Bereich per se zu tun, sondern ist leider kulturell zu betrachten.

Heute finde ich es manchmal nach wie vor als Herausforderung als Nicht-Techniker in diesem Bereich zu arbeiten, da es gewissen Kommunikationshemmnisse gibt.

Diese kommen aber meiner Meinung nach von der Natur bzw. dem Ziel der unterschiedlichen in einen Betrieb bzw. einen Markt involvierten Bereiche / Abteilungen: Die Technik hat ein anderes Ziel (Technik getrieben) als z.B. der Verkauf (Markt getrieben) als z.B. der Einkauf/Logistik (Logistik und Teilevielfalt im Fokus), etc.

Das schlägt sich in der Kommunikation nieder: Die Technik spricht mit technischem Vokabular über Entwicklungen. Der Verkauf ist konzentriert auf Umsätze und Verkaufszahlen und spricht auch in diesen Größen. Die Logistik interessiert und spricht über die Verfügbarkeit der Waren und Dienstleistungen, der Lagerumschlag, etc.

Unterschiedlicher Fokus und unterschiedliches Vokabular führen zu einer komplizierteren Kommunikation. Wenn man dann auf Genderbasis von Haus aus einen niedrigeren Stellenwert mitbringt und mit der damaligen Jugend verbunden, bringt gewisse kommunikative Hindernisse mit sich.

Tatsache ist jedoch, dass es alle braucht, damit der Betrieb oder der Markt funktioniert. Um von mir auszugehen: Ist ein Betrieb oder Markt auf Technik basierend, braucht diese Technik trotzdem einen Vertrieb, Logistik, Finanzmanagement, etc.

Wenn ich ein Beispiel nennen darf: Das beste Herz wird niemanden gesund erhalten, wenn die Leber oder die Nieren nicht funktionieren.

Ich fände grundsätzlich – egal welche Branche oder welchen Beruf man für sich erobern möchte – einen größeren Fokus auf gewaltfreie und wertschätzende Kommunikation und Konfliktlösung etc. bereits in den Kindergärten und Grundschulen wünschenswert, um gewisse Genderhürden für Mädchen und Frauen leichter überwindbar zu machen.

Das auch deshalb weil ich fest davon überzeugt bin, dass die Art und Weise wie wir lernen Dinge zu sagen und zu kommunizieren einen großen Einfluss auf unsere Werte und unser Weltbild haben. Auch das der Buben und Männer. Und wichtig ist mir die gleiche Berechtigung von Meinungen, egal wer sie äußert als Basis für einen Austausch und für gemeinsame Entwicklung.

Persönlicher Bezug zur Technik: Ich habe, da nie jemand Zeit hatte, immer selbst meine Fahrradreifen geklebt, mein Moped selbst serviciert und immer selbst z.B. in meiner ersten Wohnung gemacht vom Ausmalen, über Bodenlegen, über Möbel zusammenbauen, Dinge montieren. Ich hätte es selbst nicht geglaubt, aber ich war darin immer sehr geschickt und mache so etwas heute noch sehr gerne, wenn ich Zeit habe.

Technische Vorlieben: Dinge richten und vorher verstehen, wie sie funktionieren. Bsp.: Wie funktioniert eine Pumpe? Warum kann man mit Extrapolation Druckunterschiede in Messergebnisse verwandeln, etc. Aber das kommt jetzt mehr von meiner derzeitigen Arbeit.

Wie hat dein (privates) Umfeld auf deine Entscheidung reagiert?

Anfangs nicht wirklich. Es hieß: Ja sie arbeitet jetzt in einem Büro. Erst als ich Geschäftsführerin bei der iVON GMBH wurde und den Betrieb aufgebaut habe waren Reaktionen wie: Wirklich, DU leitest ein Mschinenbauunternehmen? Da gab es überraschte Gesichter und Reaktionen bis hin zur Ungläubigkeit.

Erste Wahl MINT: Nein, ich bin zufällig in den Technikbereich gestolpert, weil mich das internationale Geschäft gereizt hat.

Was war dein größter „Aha-Moment“ im MINT-Bereich? 

Ich weiß jetzt nicht genau, worauf diese Frage abzielt, aber ich würde jetzt aus dem Bauch heraus antworten: Dass der MINT-Bereich im Prinzip so funktioniert wie andere Bereiche mit anderen Herausforderungen: Es gibt immer was zu lernen, die Augen muss man immer offenhalten, den Menschen muss man immer zuhören. Es gilt sich einzubringen und nicht aus falsch verstandenem Respekt oder aus anerzogener Scheu heraus den Rückzug anzutreten oder – noch schlimmer – es gar nicht erst zu versuchen.

Widerstand / Hindernisse:

Wie bereits beschrieben: Wertigkeit als Person/Frau im MINT-Bereich, eigene Scheu, fehlende Ausbildung, etc. Ich würde heute gegen jeden Unkenruf nach der Unterstufe eine HTL machen und mir Hilfe / Unter-stützung in den in der Pflichtschulzeit auf Basis der Wertung „Mädchen“ Fächern besorgen. Nicht falsch verstehen: Meine Schule, an der ich Matura gemacht habe, war schon recht und gut und hat mich auch weitergebracht, so wie das meiste an Wissen was man sich aneignet.

MINT und Frauen

Warum sollten mehr Frauen einen MINT-Beruf ergreifen?

Weil der MINT-Bereich kein mythologisches und fest umzäuntes, unerreichbares Gebiet ist. Ich würde mir mehr Förderung speziell im Bildungsbereich für Mädchen und Frauen in diesem Zusammenhang wünschen. Dass die Barrieren abgebaut werden, die einfach ungerecht sind.

Als Beispiel möchte ich hier meine eigene Erfahrung mit Mathematik anführen: Anscheinend war es nicht so wichtig in Mathematik als Mädchen gefördert zu werden, weshalb ich auch immer dachte, dass ich das nicht kann. Meine Leistungen waren auch eher bescheiden damals. Bis ich begann Wirtschaftswissenschaften zu studieren und mich der gefürchteten Matheklausur im ersten Abschnitt gestellt habe.

Ich habe mir dann Nachhilfe genommen und plötzlich ging der Knopf auf. Ich habe eine sehr gute Prüfung gemacht. Das war mir aber nur möglich, weil ich die Förderung, die ich brauchte, selbst besorgt habe. Und jetzt ist Mathe eines meiner Steckenpferde, obwohl ich leider zu wenig Zeit dafür habe.

Heute lese ich mehr oder weniger hobbymäßig Mechatronik-Bücher.

Ja, ich möchte wirklich nochmal unterstreichen: Der MINT-Bereich und seine Branchen sind kein unerreichbares sagenumwobenes und für Frauen unantastbares Märchenland.

Im Gegenteil: Überall sind tüchtige und offene Menschen gefragt und wenn ein Mädchen oder eine Frau es machen will: Bitte mehr Förderung vom Start weg!

Was möchtest du den Mädchen/Frauen noch mit auf den Weg geben?

Ich glaube daran, dass man im Leben vieles machen kann, wenn man nur will, bereit ist sich einzusetzen und Möglichkeiten hat sich bei Dingen, die nicht von Anfang an gleich sitzen, Hilfe und Unterstützung zu holen.

Ich hoffe, dass dieser anerzogene Abstand und die damit verbundene Scheu von Mädchen und Frauen vor dem MINT-Bereich abnimmt. Ich denke, dass es an jeder einzelnen von uns liegt sich mit Berufen im MINT-Bereich oder in damit verbundenen Berufen und Aufgaben auseinanderzusetzen, wenn man dies will. Ich rufe jede einzelne dazu auf, sich zu trauen. Nach dem Motto: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Arbeitsmarktentwicklung:

Die jetzige Situation am Arbeitsmarkt zeigt: Die üblichen Männerdomänen kommen jetzt schon nicht gut ohne uns Frauen aus. Fachkräftemangel ist in aller Munde. Und ich hoffe, dass wir die unnötigen und ungerechten Hürden zu dem, was augenscheinlich notwendig ist ohne Hinblick auf Geschlecht und in jedem Fall in gegenseitiger Augenhöhe abschaffen werden.

Für uns alle.